Marketing-Geschichte: So sah Werbung vor 70 Jahren aus

Zukunft des Marketings in EMEA
Marc Ollmann
Marc Ollmann

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Werbung begleitet die Menschheit schon deutlich länger, als es die meisten vermuten: Funde deuten darauf hin, dass bereits 4.000 v. Chr. erste Werbebotschaften übermittelt wurden, und spätestens mit der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert begann sie ihren Siegeszug. Bis aus Zeitungsanzeigen in Form klassischer Reklame aber ein fundiertes Konzept im Sinne des modernen Marketings wurde, dauerte es bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Von da an entwickelte sich Marketing rasant hin zum heutigen Content-basierten Inbound-Ansatz.

Alter Fernseher steht für Geschichte des Marketings

Was aber hat diese Veränderungen vorangetrieben? Und was bedeuten Sie für den Status quo sowie die Zukunft des modernen Marketings? Wir geben Ihnen einen Überblick.

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Sieben Jahrzehnte Marketing – von simpler Reklame zu interaktionsfokussierter Kommunikation

1950er: Produktorientierung

Nach den entbehrungsreichen Kriegsjahren herrschte in der westlichen Welt eine hohe Nachfrage bei gleichzeitig hoher Kaufkraft (dank Wirtschaftsboom), sodass die Industrie diese kaum bedienen konnte. Da Werbung prinzipiell erst dann zum Tragen kommt, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt und Unternehmen gezwungen sind, Kunden von sich zu überzeugen, war sie an dieser Stelle also kaum nötig. Der Fokus von „Marketing“ im weitesten Sinne lag daher vor allem auf dem Ankurbeln und der Optimierung der Produktion.

1960er: Verkaufsorientierung

Nachdem sich Angebot und Nachfrage inzwischen ungefähr angeglichen hatten, verlagerte sich die Konzentration nun auf den Verkauf. Dank dem schon länger etablierten Radio, der zunehmenden Verbreitung des Fernsehens sowie einer neuen Fülle von Printangeboten diversifizierten sich Werbeformate den Massenmedien entsprechend. Auch die Frequenz von Werbung, die sich zu diesem Zeitpunkt auf klassische „Reklame“ beschränkte, nahm somit zu. Meist lag der Fokus dabei auf der reinen Präsentation und Nennung des Produkts, um die Konsumenten mit diesem vertraut zu machen.

Exemplarisch wird das an diesem Werbespot von Dr. Oetker deutlich. Dieser erklärt weder, wie genau das Produkt funktioniert, noch konkretisiert er, wie es zu verwenden ist. Stattdessen wird der Markenname betont, der dank eingängiger Reime besonders gut im Gedächtnis bleibt.

1970er: Marktorientierung

In den Siebzigern wurde das allgemeine Konsumangebot so groß, dass Unternehmen begannen, ihre Märkte und Zielgruppen zu segmentieren. Werbung sprach jetzt nicht mehr die Allgemeinheit an, sondern adressierte konkrete Zielgruppen und deren Bedürfnisse.

Dieser Werbespot für den Opel Manta beispielsweise richtet sich gezielt an den modernen Mann mittleren Alters, der gleichzeitig Fahrspaß genießen und seiner Rolle als Familienvater gerecht werden möchte.

1980er: Wettbewerbsorientierung

Als Reaktion auf den weiter zunehmenden, harten Wettbewerb wurden in den achtziger Jahren Alleinstellungsmerkmale (USPs) von Produkten in den Mittelpunkt gerückt, die sie von den zahlreichen Konkurrenten abheben sollten. Entsprechend ausführlicher wurde nun auch auf Funktionsweisen eingegangen und die Nutzung erklärt.

Ein klassisches Beispiel: Der Duracell-Hase, der „läuft und läuft und läuft“ und so alle anderen Batterien weit hinter sich lässt.

1990er: Umfeldorientierung

Die 1990er waren geprägt von politischen und gesellschaftlichen Veränderungen: Deutschland wurde wiedervereinigt, erstmalig wurde Umweltbewusstsein zu einem Thema für die Allgemeinheit und neue Technologien wie der PC erblickten das Licht der Welt. Das beeinflusste auch die Werbung, die sich nun erstmals nicht nur auf ein Produkt und dessen unmittelbaren Nutzen konzentrierte, sondern es zusätzlich in die Lebenswirklichkeit der Kunden einband und auf deren Sorgen einging.

So widmete sich beispielsweise das Marketing der Lufthansa plötzlich nicht mehr vorrangig komfortablem Reisen, sondern der Verantwortung gegenüber einer bewahrenswerten Natur.

Allerdings war diese etwas weniger dem Produkt gewidmete Werbung eine Reaktion darauf, dass sich langsam eine immer größere Abneigung gegenüber Werbung breitmachte. Waren noch wenige Jahre zuvor Werbespots Ereignisse mit Kultcharakter, zahlte ein Teil der Konsumenten inzwischen sogar für Pay-TV, um Fernsehprogramme frei von Unterbrechungen genießen zu können.

Entsprechend begann hier erstmals die Etablierung wesentlicher neuer Marketingkanäle, wie beispielsweise PR, Event-Marketing oder Product Placements, die den typischen Reklame-Charakter hinter sich ließen.

Ab 2000: Dialogorientierung

Mit dem Internet begann das Zeitalter des Online-Marketings. Hier war es nun erstmals möglich, Werbung interaktiv zu gestalten. Dank Chats und E-Mails ist Werbung nun nicht mehr zwingend einseitige Beschallung, sondern bedeutet Dialog zwischen Unternehmen und Kunden. Gerade das E-Mail-Marketing gab den Startschuss zum Ausbau der Marktsegmentierung bis hin zur Personalisierung, da Konsumenten unkompliziert und schnell individuell angesprochen werden konnten.

Darüber hinaus konnte die Wirksamkeit der Werbung nun so exakt gemessen werden, wie nie zuvor. Das lässt sich auch daran erkennen, dass die verbreitete Preisgestaltung für tausend Kontakte (CPM), noch ein Relikt der klassischen Medien, als Abrechnungsmodell größtenteils von Pay-Per-Click (PPC) abgelöst wurde: Da sich nun bestimmen ließ, wer Werbung auch wirklich konsumiert, musste auch nur noch für diese Nutzer gezahlt werden.

Allerdings war auch im Internet zunächst überwiegend noch klassische Werbung (Banner, Pop-Ups) vertreten, die somit lediglich das Medienformat gewechselt hatte.

Ab 2010: Netzwerkorientierung

Erst in der bis dato letzten Phase der Marketingentwicklung kam es dann zu einer völligen Neuinterpretation des Werbebegriffs. Das Web 2.0 macht dank den nun boomenden sozialen Netzwerken den Austausch zwischen Unternehmen und Kunden noch unmittelbarer und niedrigschwelliger.

Denselben ist zu verdanken, dass gänzlich neue Formate wie Mundpropaganda, Influencer-Marketing etc. auf der Bildfläche erschienen. Die Idee dabei: Werbung soll sich nicht mehr wie Werbung anfühlen (unterbrechend, störend, aufdringlich), sondern als Mehrwert und willkommene Information wahrgenommen werden.

Zusätzlich ist dank Big Data nun die Analyse von Nutzerdaten und somit die maximale Personalisierung von Marketing-Maßnahmen möglich. Die mobile Nutzung sorgt dafür, dass Nutzer auf Angebote jederzeit und überall zugreifen können, statt nur noch vor dem Fernseher oder in einer Zeitschrift mit Werbung konfrontiert zu werden.

Aus Drücken wird (An)Ziehen – Wie nutzerorientiertes Inbound-Marketing klassische Werbung abgelöst hat

Während von den fünfziger bis zu den neunziger Jahren klassische Reklame Kultwert besaß, setzten im Anschluss Sättigung und Überdruss ein. Je größer die Produktvielfalt und damit das Angebot wurde, desto aggressiver wurde mittels Werbung versucht, die Konsumenten für sich zu gewinnen – was sie schließlich nur abschreckte. Werbeblindheit machte sich breit.

Die emotionale Aufladung, die Produkte durch Werbung lange Zeit erhalten hatten, funktionierte nun nicht mehr. Zwar sind einige Marken bis heute stark emotional aufgeladen (wie zum Beispiel Apple), ein solcher Effekt lässt sich für neue Produkte aber kaum noch durch Werbung erzeugen.

Während bis zu diesem Zeitpunkt also reines „Push-Marketing“ betrieben worden war, das potenzielle Kunden ungefragt mit störender Werbung beschallte, musste sich die Herangehensweise nun ändern – und mit der Etablierung des Internets waren die perfekten Bedingungen dafür gegeben. Die Idee des Content-Marketing kam auf, die darauf setzt, die Menschen zu informieren und zu unterhalten, statt ihnen Werbung aufzudrücken.

Unternehmen sollten Kunden also geben, was sie forderten: Ein Paradigmenwechsel hin zum „Pull-Marketing“ war unausweichlich. Diese Entwicklung ist eng und unvermeidlich mit der Ausbreitung des Web 2.0 verknüpft, da erst dessen interaktiven Möglichkeiten den Dialog zwischen Unternehmen und Kunden zu jeder Zeit und über jede Entfernung hinweg ermöglichte und zusätzlichen Personalisierungsbestrebungen den Weg ebnete.

Während früher also Werbung als einzige Marketingmaßnahme alle Marketingziele (Kundenbindung, Branding, Auffindbarkeit etc.) verfolgen musste, dient sie heute fast nur noch dem reinen Vertrieb. Weiche Aspekte wie die Emotionalisierung oder Loyalität werden dagegen durch Inbound-Marketing in Form von SEO, Social-Media- und Content-Marketing bedient.

Diese wesentlichen Änderungen im Selbstverständnis von Marketing bedeuten auch, dass sich dessen Kernaufgaben verschoben haben. Hier standen lange unangefochten die Vier Ps als Instrumente im Zentrum:

  • Produkt (Produkt- und Dienstleistungsgestaltung)
  • Preis (Preissetzung)
  • Promotion (Kommunikation, Image)
  • Platzierung (Distribution und Vertrieb)

Das heutige Marketing dagegen richtet sich an den Drei Cs aus:

  • Cocreate Value (Konsumenten sind aktiver Teil der Produktentwicklung)
  • Communicate Value (Mehrwert des Produkts muss aktiv und nachvollziehbar kommuniziert werden)
  • Capture Value (Preis muss im Verhältnis zu erkennbarem Produktwert und -image stehen)

Wir sind noch nicht am Ende angelangt

Seit es Marketing im eigentlichen Sinne gibt, hat es sich kontinuierlich verändert, aber nie so tiefgreifend, wie mit der Verbreitung des Internets. Während Marketing 1.0 jahrzehntelang im Sinne einer Produktorientierung verstanden wurde, bei der der direkte Verkauf und die Produktion im Vordergrund standen, haben wir uns alleine in den letzten rund 15 Jahren über das Marketing 2.0 (Kundenorientierung und -differenzierung: Der Nutzer und seine Bedürfnisse stehen im Vordergrund) hin zum Marketing 3.0 entwickelt, das die Kunden ganzheitlich sieht und Werte vermitteln will.

Bis heute ist die Anpassung an die „neuen“ Kommunikationswege und den Medienkonsum, den das Digitalzeitalter mit sich gebracht hat, nicht abgeschlossen. Denn nach wie vor gehen damit zahlreiche Herausforderungen einher. Nur einige Beispiele sind:

  • Die Abhängigkeit von undurchsichtigen Algorithmen
  • Rasante Veränderungen
  • Neue Disziplinen wie SEO und SEA
  • Riesige zu bewältigende Datenmengen
  • Neue gesetzliche Richtlinien (zum Beispiel die DSGVO)
  • Eine allgemein massiv gestiegene Komplexität von Möglichkeiten und Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen

Aus all diesen Punkten ergibt sich letztlich auch das wichtigste Stichwort für die Zukunft des Marketings: Vernetzung – von Abteilungen („Smarketing“), Kanälen (Multichannel), Informationen und vielem mehr. Wer zukünftig als Marketer bestehen will, muss ganzheitlich denken und bestehende Grenzen hinter sich lassen. Wenn das gelingt, läuten wir vielleicht schon bald die nächste Phase in der Geschichte des Marketings ein.

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Titelbild: Ajeet Mestry / Unsplash

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