Konfliktlösung: Die 9 Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl

Leitfaden Konfliktmanagement
Andreas Graßer
Andreas Graßer

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„Nur durch Mut kann dem Konflikt eine positive Wendung gegeben werden.“ Mit dieser Aussage hat der Konfliktforscher Friedrich Glasl darauf hingewiesen, wie wichtig das aktive Gegensteuern in einem Konflikt ist.

Grafik die eine der Eskalationsstufen nach Glasl zwischen zwei Kollegen zeigt

Was Glasl bereits vor einigen Jahrzehnten erkannte, ist in der heutigen Berufswelt nach wie vor aktuell: Sowohl bei der Interaktion zwischen Unternehmen als auch beim Kontakt mit Endkunden bzw. Endkundinnen treten immer wieder Konflikte auf und wenn die Beteiligten diese nicht rechtzeitig durch aktives Gegensteuern unterbrechen, können sich die Konflikte verhärten und schließlich zu einer Zersplitterung führen.

Genau dieses Szenario beschreibt Friedrich Glasl mit seinen viel zitierten neun Eskalationsstufen. Wer die neun Stufen verinnerlicht und als Orientierungshilfe versteht, kann Konflikte frühzeitig erkennen und auflösen.

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Das Eskalationsstufenmodell im Überblick

Der Österreicher Friedrich Glasl studierte an der Universität in Wien politische Wissenschaften und setzte sich im Rahmen seiner Dissertation intensiv mit dem Thema der internationalen Konfliktverhütung auseinander. Im Jahr 1983 habilitierte Glasl an der Bergischen Universität Wuppertal mit Schwerpunkt Konfliktforschung.

Als anerkannter Konfliktforscher prägte Glasl vor allem die modellhaften Ansätze zur Konfliktanalyse maßgeblich mit. Mit dem Phasenmodell der Eskalation legte er 1980 ein Modell vor, das die Entwicklung von Konflikten als neunstufigen Prozess darstellt. Das Modell ist in seiner Gültigkeit dabei nicht auf berufliche Konflikte beschränkt. Vielmehr stellt es einen universellen Ansatz zur Analyse unterschiedlichster Konfliktarten dar.

Der wesentliche Kern des Eskalationsstufenmodells von Glasl besteht aus der Unterteilung in drei Hauptphasen bzw. -ebenen:

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1. Hauptebene (Win-Win)

Auf der ersten Hauptebene existiert noch ein sachlicher Austausch. Dieser erlaubt Konfliktparteien, bei Meinungsverschiedenheiten einen positiven Ausgang zu erreichen.

2. Hauptebene (Win-Lose)

Die zweite Phase findet nicht mehr auf der sachlichen Ebene statt: Es herrscht bereits eine destruktive und subjektive Sphäre vor. Dabei bewahren die Konfliktparteien allerdings noch ihre moralischen Instanzen und können mithilfe von außen eine Lösung für Konflikte finden. Konflikte in der zweiten Phase enden typischerweise mit einem Verlierer und einem Gewinner.

3. Hauptebene (Lose-Lose)

Die dritte Phase bestimmen schließlich fehlende Selbstbeherrschung, Verwerfungen und Verletzungen. Sie wird vor allem dadurch charakterisiert, dass beide Parteien selbstzerstörerisch agieren und gemeinsam ihr Gesicht verlieren.

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Welche Eskalationsstufen gibt es?

Die Eskalationsstufen nach Glasl werden nicht als aufsteigende Leiter, sondern als herabsteigende Treppe visualisiert. Durch diese Darstellung weist Glasl darauf hin, dass die Eskalation eines Konflikts für beide Parteien „in den Abgrund“ führt.

Die 9 Eskalationsstufen, die Glasl in seinem Modell beschreibt, sind:

Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl

Erste Ebene: Win-Win

Stufe 1: Verhärtung

In der ersten Stufe der ersten Ebene kommt es zu Spannungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen den beteiligten Parteien. Die Beteiligten nehmen diese zunächst nicht als Konflikt wahr, sie können aber tiefergehende Gründe haben. Auf der Arbeit können beispielsweise unterschieldiche Auffassungen darüber herrschen, welche Aufgaben von wem übernommen werden.

Stufe 2: Debatte

Die zweite Stufe prägen Argumentationsstrategien, Streitigkeiten zwischen den Konfliktparteien und ein typisches Schwarz-Weiß-Denken. Das heißt, gelingt es nicht, dass beide Parteien sich in einem Gespräch einigen, verschärft sich der Konflikt und es entwickelt sich ein handfester Streit.

Stufe 3: Taten statt Worte

In der dritten Stufe ist erstmals eine deutliche, demonstrative Verschärfung der Konflikte spürbar. Die Beteiligten berücksichtigen keine Argumente mehr. Stattdessen wächst der Druck auf die Konfliktpartner, da beide die eigene Meinung durchsetzen möchten.

Verbale Kommunikation findet kaum mehr bzw. gar nicht mehr statt und es herrscht Schweigen. Auf die Vorwürfe folgen nun Taten und der Konfliktgegner wird bewusst ignoriert.

Zweite Ebene: Win/Lose

Stufe 4: Sorge ums Image

Die vierte Stufe steht im Zeichen von Koalitionen: Die beteiligten Konfliktparteien suchen sich Unterstützung bei Verbündeten, um den eigenen Standpunkt zu stärken. Die Verbündeten sollen dabei helfen, den Konfliktgegner von der eigenen Meinung zu überzeugen.

Ab dieser Stufe steht nicht mehr die Lösungsfindung, sondern das „Gewinnen“ der Konflikte im Mittelpunkt der Strategie. Eine sachliche Klärung von Konflikten wird ab dieser Stufe zunehmend schwieriger.

Stufe 5: Gesichtsverlust

Die Konfliktparteien nutzen direkte und persönliche Angriffe, um ihre Gegner bloßzustellen und für einen Gesichtsverlust zu sorgen. Diese Stufe ist vom Wegfall der Moral und des gegenseitigen Vertrauens geprägt.

Logische Argumente ziehen nicht mehr, sondern die andere Konfliktpartei wird bewusst lächerlich gemacht, bloßgestellt oder schikaniert. Es wird mit Unterstellungen und Infragestellen der moralischen Glaubwürdigkeit für den eigenen Sieg gekämpft.

Stufe 6: Drohstrategien

Um Konflikte zu kontrollieren, die eigene Macht zu veranschaulichen und den Konfliktgegner zum Einknicken zu bringen, beginnen die Beteiligten, sich gegenseitig zu drohen. Das heißt, kann ein Konflikt nicht mehr diplomatisch gelöst werden, wird zu unlauteren Mitteln gegriffen.

Ein Beispiel: Ein Geschäftspartner fordert Geld von seinem Gegenüber oder droht ihm mit Sanktionen, sollte er seine Forderungen nicht erfüllen.

Dritte Ebene: Lose/Lose

Stufe 7: Begrenzte Vernichtungsschläge

Auf der dritten Ebene angekommen, beginnen die beteiligten Konfliktparteien, dem Gegenüber Schaden zuzufügen. Dabei wird eigener Schaden billigend in Kauf genommen, sofern der Gegner einen größeren Schaden hinnehmen muss. Es geht längst nicht mehr um die Ursache des Konflikts.

Im Arbeitsleben wird diese Eskalationsstufe nur selten erreicht. Im Privatleben kommt es jedoch öfter vor, dass Probleme eskalieren. Das kommt daher, dass die Emotionen, beispielsweise bei einer Trennung bzw. Scheidung, viel tiefer reichen als bei Konflikten im beruflichen Kontext. Für deeskalierende Gespräche ist nun professionelle Hilfe erforderlich.

Stufe 8: Zersplitterung

In der achten Stufe, der Zersplitterung, verfolgen die Beteiligten das Ziel, das feindliche System zu zerstören. Physisch-materielle, seelisch-soziale und geistige Attacken und Vernichtungsaktionen sind in dieser Konfliktstufe an der Tagesordnung. Um die Reputation des Gegners zu schädigen, wird teilweise sogar dessen Familie verbal attackiert.

Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund

In der neunten und letzten Eskalationsstufe kommt es zur totalen Konfrontation: Beide Konfliktparteien versuchen, den Gegner in den Abgrund zu stürzen. Dabei nehmen sie auch die Selbstvernichtung in Kauf. Die Lösung des Konfliktes ist ohne außenstehende Hilfe nicht möglich, da die Situation zu emotional aufgeladen ist und jedes Gepräch eine weitere Eskalation bedeutet. Die Fronten sind buchstäblich verhärtet.

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  • 4 unterschiedliche Konfliktmanagement-Methoden
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  • Warum eine Streitkultur so wichtig ist

Wie entstehen Konflikte?

Konflikte sind ein fester Bestandteil unseres Lebens. In der Berufswelt machen sich Konflikte nicht nur zwischen Parteien mit unterschiedlicher Interessenslage, sondern auch unternehmensintern bemerkbar. Ganz gleich, ob Führungskräfte oder individuelle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, auf allen Unternehmensebenen treten regelmäßig Meinungsverschiedenheiten, Sympathien und Antipathien auf.

Dabei sollten Konflikte allerdings nicht grundsätzlich als negativ angesehen werden. Im Gegenteil: Durch Konflikte haben Geschäftspartner, Mitarbeitende und Beratende erst die Möglichkeit, verschiedene Interessenslagen zu erkennen, rechtzeitig auf Probleme zu reagieren und konstruktive Lösungen zu finden. Im besten Fall führt ein Konflikt dazu, dass beide Parteien ihr Ansehen füreinander steigern und der Meinungsverschiedenheit etwas Positives abgewinnen.

Schwierig wird es erst dann, wenn sich ein Konflikt zunächst nicht als solcher erkennen lässt. Werden Meinungsverschiedenheiten beispielsweise nicht offen, sondern verdeckt ausgetragen, verlassen sie die sachliche Ebene und sind häufig nur noch mithilfe Außenstehender, sprich Mediation, zu lösen. Das heißt, je fortgeschrittener ein Konflikt bereits ist, desto schwieriger wird die Deeskalation ohne fremde Hilfe.

Damit es gar nicht erst soweit kommt, existieren im Konfliktmanagement verschiedenste Ansätze zur Konfliktlösung. Einige dieser Ansätze lassen sich aus dem bekannten Modell zur Konflikteskalation von Friedrich Glasl herleiten.

Konflikte lösen: Strategien zur Deeskalation

Mit seinem Modell beschreibt Glasl nicht nur die Stufen der Konflikteskalation, sondern weist auch auf folgende Strategiemodelle zur Deeskalation hin:

  • Stufe 1 bis 3: Moderation und Coaching
  • Stufe 3 bis 5: Externe Prozessbegleitung und Vermittlung
  • Stufe 4 bis 6: Externe sozio-therapeutische Maßnahmen
  • Stufe 5 bis 7: Professionelle Vermittlung und Mediation
  • Stufe 6 bis 8: Freiwilliges/verpflichtendes Schiedsverfahren oder gerichtliches Verfahren
  • Stufe 7 bis 9: Machteingriff von oben

Gerade Führungskräfte, Beratende und Sozialarbeitende sollten sich den neun Eskalationsstufen nach Glasl bewusst sein, um die Struktur und Schwere von Konflikten erkennen und von einem neutralen Standpunkt aus betrachten zu können. Dabei ist die Fähigkeit zum welt- und wertfreien Erkennen von Konflikten zur Deeskalation von Vorteil, um beispielsweise rechtzeitig außenstehende Hilfe anzufordern oder Lösungsstrategien zu entwickeln bzw. Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Die Anwendung der Eskalationsstufen von Glasl

Das Modell von Glasl erweist sich insbesondere bei der Analyse von Konflikten im Berufslebens als auch im Privatleben als hilfreich. Die Eskalationsstufen geben zwar selbst keine spezifischen Empfehlung für deeskalierende Maßnahmen, liefern aber wertvolle Informationen über den Konfliktzustand.

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Titelbild: lemono / iStock / Getty Images Plus

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