Was ist geiler Content? Zu dieser Frage hat Mirko Lange eine Blogparade gestartet. Eine einfache, eine essentielle Frage (gerade für Marketing-Menschen) - auf die es vermutlich keine einfache, allgemeingültige Antwort gibt. Ich versuche mich mal heranzutasten, indem ich etwas mache, was man eigentlich nicht machen sollte. Ich gehe von mir selbst aus.

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Welche Medieninhalte habe ich in den letzten Tagen konsumiert? Was hat überzeugt? Was hat genervt? Warum dieser Content zu dieser Zeit? Und was hat das alles mit Qualität zu tun? Hier mein Content-Tagebuch des langen Wochenendes!

Hätte, hätte, Fahrradkette

Samstagmorgen: Der Plan - ein neues Fahrrad kaufen; das T-100 der Fahrradmanufaktur; die Empfehlung eines Freundes, der so ziemlich jeden Testbericht und (Blog-)Artikel rund um Fahrräder liest. Aber wo kaufen? Also einfach mal “T-100 Fahrradmanufaktur” gegoogelt und auf fahrradmanufaktur.de gelandet. Da findet man sich ziemlich schnell zurecht, kann sich Bilder der Räder ansehen und bekommt übersichtlich alle Komponenten wie Schaltung, Gabel, Farben etc. und den Preis aufgelistet. Außerdem kann man Preise vergleichen, sich Testberichte durchlesen und Videos anschauen.

Das hat mich aber alles nicht interessiert, die persönliche Empfehlung reichte mir. Die Kaufentscheidung war schon getroffen, die Frage war: Wo kaufen? Außerdem: Die Sonne schien, ich wollte das Fahrrad jetzt sofort. Ahh, da gibt’s eine Händlersuche. Die Postleitzahl eingegeben - und raus kamen die Kontaktdaten eines Händlers in der Kölner Südstadt. Aber erst wollte ich wissen, ob die das Rad vorrätig haben. Die Website des Ladens, stadtrad-koeln.de, war mir keine Hilfe. Die Seite hat mich optisch abgeschreckt und so hatte ich nach zwei Sekunden das Telefon in der Hand, um direkt nachzufragen. Das T-100 haben sie auf Lager. Jawohl! Also ab in die Südstadt.

Wo war der Laden nochmal genau? Ich hatte die Adresse vergessen. Früher hätte man wahrscheinlich den nächsten Passanten gefragt, heute schmeißt man das Smartphone an. Leider war die eben noch hilfreiche Website der Fahrradmanufaktur auf dem iPhone nicht zu gebrauchen, da nicht für mobile Geräte und Wurstfinger optimiert. Zum Glück gab’s einen netten Opa. Der Laden ist direkt umme Ecke! Sie haben das Ziel erreicht. Fahrrad gekauft, den Rhein runtergeradelt, Content war mir für den Rest des Tages egal.

Fazit des Samstags:

  • Freunde sind geiler als Content.
  • Die Fahrradmanufaktur hat vermeintlich qualitativen Content produziert (Testberichte, Videos), der MICH aber nicht interessiert.
  • Die simple Händlersuche auf der Website war mein Content des Tages.
  • Leider trübte die fehlende Responsiveness den positiven Gesamteindruck.
  • Schlechtes Design hat mich zu der (berechtigten?) Annahme verleitet, dass auch der Content schlecht ist (stadtrad-koeln.de)
  • Letztlich war es (auch) Content, der mich zum Kauf des T-100 gebracht hat. Hätten meinen Freund die Testberichte, Videos, Blogartikel, Forenbeiträge, Kommentare über ein anderes Fahrrad überzeugt, hätte er mir das empfohlen. Hätte, hätte, Fahrradkette.

Irgendwer grillt am Rhein ein Schwein!

Sonntag: Muskelkater und geiles Wetter. Also kurz mit dem neuen Rad zum Rhein und einfach relaxen. Im Gepäck: Content. Genauer: “Der Distelfink”, der neue Roman von Donna Tartt. Vor geschätzt zehn Jahren hatte ich ihr Debüt “Die geheime Geschichte” gelesen - und kürzlich war Amazon so nett, mich auf das Erscheinen ihres neuen Romans hinzuweisen, der auch schwupps bei mir im Bücherregal landete. Über 1000 Seiten, gemächlich erzählt - das Gegenteil von Internet. Mehr als 50 Seiten am Stück gehen nicht, also schnell mal die Facebook-Pinnwand gecheckt: Urlaubsfotos aus Südamerika, komische Huffington Post Artikel, Google hat wieder irgendein Unternehmen gekauft, Facebook auch, ein neues Start-up, noch ein neues Start-up, Crowdfunding, 100 Tipps für bessere …, Fahrrad-Werbung, Musikvideos, Katzen, die 25 schrägsten Dating-Fotos von russischen Gigolos, irgendwer hat irgendwo nen Burger gegessen, irgendwer grillt am Rhein ein Schwein! Waaas? Die sind ja direkt bei mir um die Ecke. Content war mir für den Rest des Tages egal.

Worte zum Sonntag:

  • Es gibt unglaubliche Massen an Content - damit kriegt man das Internet locker zweimal voll.
  • Vieles von dem, was es gibt, schwirrt an mir vorbei, weil es mich in der jeweiligen Situation nicht interessiert, begeistert, unterhält, relevant ist, hilft, weiterbringt …
  • Ein Roman, in dem fünf Jahre mühevoller Arbeit stecken, buhlt mit einem Schnappschuss von gegrilltem Fleisch um meine Aufmerksamkeit.
  • Facebook hat mein Leben verändert. Denn wäre das Foto nicht auf meiner Pinnwand erschienen, wäre ich vielleicht jetzt schon mit dem Distelfinken durch.
  • Sehr viel Content kommt mittlerweile zu mir, ich Suche ihn nicht - und das immer öfter auf dem Smartphone.

Weshalb ich jetzt versuche, geilen Content über geilen Content zu produzieren

Montag: Ok, Feiertag, aber nach zwei relaxten Tagen kann man ja wieder mal ans Arbeiten denken. Was gibt es also zu tun? Ausschau nach neuen Karriere-Themen halten, schauen, was in der Start-up-Welt passiert - und eine Artikel-Idee für den Hubspot-Blog muss her. Aber erstmal die üblichen Verdächtigen absurfen: Indeskrition Ehrensache, Euphorie im Alltag

Techcrunch, den lxplm-Blog, 11freunde.de, generation-why.org und und und. Mindestens 20 offene Tabs in 10 Minuten. Alles irgendwie interessant, aber hey, ich muss jetzt diesen Hubspot-Artikel schreiben und brauch ein Thema. Also alle Tabs wieder ungelesen weggeklickt (zumindest die meisten) und Twitter nach interessanten Marketing-Themen gescannt. Da hab ich dann talkabouts Blogparade entdeckt, weshalb ich jetzt versuche, geilen Content über geilen Content zu produzieren. Thema gefunden, dann noch ein paar News zur Fußball-WM gelesen, Rechner runtergefahren, und in etwas getrübter WM-Vorfreude  “Deutschland. Ein Sommermärchen”, Sönke Wortmanns Dokumentarfilm zur WM 2006, bei Watchever angeschaut. Bis das große Gewitter kam (hier im Liveticker). Da hab ich schnell nochmal auf dem iPad gegoogelt, ob man denn wirklich wirklich bei Gewitter den Fernseher ausschalten sollte. Gelandet bin ich auf irgendeiner T-Online-Seite, ein Ratgeber zum Thema, der aber irgendwie nicht zum Punkt kam. Also hab ich einfach alles ausgeschaltet und den Diestelfinken zu Ende gelesen.

Fazit des Montags:

  • Es gibt noch viel mehr Content. Wer soll das alles lesen und wann überhaupt?
  • Geklickt heißt nicht gelesen und schon gar nicht gekauft.
  • Die Wege des Contents sind unergründlich.
  • Bekomme ich nicht schnell eine Antwort, denk ich mir im Zweifelsfall eine neue Frage aus.

Was ist denn jetzt geiler Content? Nicht checklistig!

Der geilste Content an meinem langen Wochenende waren die Gespräche mit Freunden beim Grillen am Rhein. Kostengünstig produziert, sehr interaktiv, persönlich auf mich zugeschnitten, anschlussfähig. Dann natürlich die Händlersuche der Fahrradmanufaktur. Die hat mir eine Menge Zeit gespart - toller Service. Nicht zu vergessen, der Distelfink. Nicht so gut wie die geheime Geschichte, aber sehr lesenswert. Das Sommermärchen fand ich nur so geht so und von den ganzen geklickten Artikeln im Netz ist mir bei keiner so wirklich hängen geblieben.

Aber - so mein Gefühl, und nur ein Gefühl - aus diesen ganzen kleinen Artikeln mit Tipps und Tricks und Meinungen und Statistiken die man so liest, setzt sich irgendwie, irgendwo, irgendwann ein Bild des großen Ganzen zusammen. Ähnlich wie bei einem 1000-Seiten Roman, bei dem man nachher auch nicht mehr genau weiß, was warum passiert ist und wie die ganzen Charaktere heißen, aber der einen inspiriert hat und mit einem neuen Gefühl zurücklässt und einen anders handeln lässt. Auch eine Qualität!

Qualität ist vielschichtig und für mich abhängig vom Kontext. Klar kann/sollte/muss man sich mit Checklisten zum (vermeidlich) perfekten Blogartikel schreiben, sich minutengenau die perfekte Zeit für einen Facebook-Post zusammenrechnen, ROIs analysieren, die perfekte Content Strategie zusammenschustern und messen, messen, messen - aber letztendlich ist es ein herantasten, ein ausprobieren, ein lernen und besser machen, ein Bauernschläue an den Tag legen, ein intrinsisch motiviertes Auseinandersetzen mit den Bedürfnissen der Menschen. Checklistig funktioniert da nicht! Das wäre zu einfach. Qualität entsteht durch harte Arbeit, Mut und Willen. Qualität ist eine Einstellung!  

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Ursprünglich veröffentlicht am 12. Juni 2014, aktualisiert am Januar 18 2023

Themen:

Content-Marketing